Das Experiment Football – ein Plädoyer für einen faszinierenden Sport

Deutschland ist das Land des Fußballs. Es dominiert unangefochten die Schlagzeilen und Köpfe der Menschen. Es schafft Vorstellungen, vermittelt Werte und kreiert ganze Weltbilder. Und dieses Weltbild steht für viele in einem krassen Gegensatz zu den klassischen amerikanischen Volkssportarten, so wie auch dem American Football. Nicht nur, dass das Spielgerät eiförmig ist, dieser Sport unterscheidet sich in scheinbare vielen (kulturellen und gedanklichen) Grundsätzen vom Fußball.

Als traditioneller Fußballromantiker schreckt auf den ersten Blick vieles ab. Vor allem der (übertriebene?!) amerikanische Pathos, die scheinbar grenzenlose Kommerzialisierung und der starke Eventcharakter dieser Veranstaltungen lassen die vom Fußball gepolten Neuronen reflexartig aufschreien. Überall wuselt und blinkt es. Cheerleaderinnen versuchen, die Zuschauer mit all ihren zur Verfügung stehenden Reizen in den Bann zu ziehen. Kostümierte Zuschauer tanzen auf den Rängen. Vieles ist anders als es der traditionelle Fußballfan an seiner Sportart kennt und schätzt. Nichtsdestotrotz wollte ich das Experiment Football wagen und entschloss mich, meine Vorurteile über Bord zu werfen und gelernte Muster und Vorstellungen über Falsch und Richtig bei Seite zu legen.

Mit dem Super Bowl Finale zwischen den Seattle Seahawks und den New England Patriots endete heute Nacht meine erste mehr oder weniger bewusst verfolgte NFL-Saison. Und was bleibt zu sagen? Ich entdeckte eine faszinierende Sportart, die absolut zurecht eine immer stärker wachsende Aufmerksamkeit in Deutschland erfährt.

 Was macht diesen Sport so besonders?

Eine unglaubliche Bandbreite von taktischen Variationen, Überraschungsmomenten bis zur letzten Minute, sagenhaften koordinativen und vor allem athletischen Spitzenleistungen. Eine Vielzahl von verschiedenen Spielertypen, die von ihren Eigenschaften und Fertigkeiten so unglaublich spezialisiert und differenziert sind. Ein vom Quarterback bis zur letzten Sekunde herausgezögerter Wurf, der exakt in den Lauf eines Receivers kommt, ist in der Wiederholung mindestens ebenso atemberaubend wie ein Freistoß Marke Ronaldo. Verteidiger, die 140 Kilo Gewicht auf die Waage bringen und deren Antritt und die Explosivität dem eines Rhinozeros gleichkommt. Receiver, deren gazellenartige Athletik und Wendigkeit Zeitlupenbilder wie Echtzeit aussehen lassen. Runnigbacks, die wie eine menschliche Dampflok durch die Verteidigungsreihen des Gegners preschen. Spieler, die bei Crashtest-ähnlichen Tackles durch die Luft fliegen und wieder aufstehen als wenn nichts gewesen sei.

Der Football bietet Spannung, die der Fußball in der Dichte und Häufigkeit vielleicht nur begrenzt bieten kann. Scheinbar große Rückstände lassen sich mit nur wenigen gezielten und geglückten Situationen aufholen. Bis in die letzten Sekunden eines Spiels ist meist so gut wie alles möglich. Ein 10 Punkte Rückstand im Football ist deutlich leichter innerhalb der letzten 60 Sekunden zu egalisieren als ein 2-Tore-Rückstand im Fußball.

Die große Barriere des traditionell geprägten Fußballanhängers zum Football ist sicher nicht die Sportart an sich. Es sind die scheinbar unterschiedlichen Wertemuster. Wer Halloween für eine kommerzielle Verschwörung der Kürbisindustrie hält, Coca-Cola und Pepsi meidet, weil sie aus den Staaten kommen und generell allem verhalten gegenübersteht, was in den Staaten passiert, der wird auch im American Football unendlich viele (scheinbare) Kritikpunkte finden.

Alles ist Fake, alles ist Show – das war offengestanden auch mein Vorurteil. Mein Eindruck nach einer intensiv verfolgten Playoff-Serie ist, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Im Fußball schalte ich bei Spielerinterviews in der Regel gedanklich ab. Die Fragen sind die immer selben, die Antworten sind die immer selben. Phrase reiht sich an Phrase. Die immer wieder gerne geforderten Typen existieren nicht mehr. Alles ist glatt, alles ist brav, alles ist diplomatisch, alles hat irgendwie einen schmieren Glibberfilm auf der Oberfläche.

Wer sich dem Football gegenüber öffnet, einige Spiele sieht und die Nebengeräusche verfolgt, wird feststellen, dass die im Fußball so schmerzlich vermisste Authentizität im Football zumindest noch teilweise existiert.

Trash-Talk zwischen verfeindeten Teams und Spielern – und nicht bloß immer nur die Philipp-Lahm-Kuschelrede. Gelebte Emotionen, hart an der Grenze der Legalität und auch mal darüber hinaus. Reporter, die ihr Mikro direkt an der Ersatzbank der Mannschaften platzieren und „Unterhaltungen“ abgreifen. Keine Spieler, die sich nach einer kleinen Berührung minutenlang auf dem Boden winden.

Im Football ist alles ein bisschen rauer –  man könnte sicherlich auch primitiver sagen -, aber das macht es wahnsinnig authentisch und ehrlich. Wer sich von der pompösen und sicherlich bis an die Grenzen der glitzernden Erträglichkeit leuchtenden Halbzeitshow und den sicherlich schön anzusehenden und mit den Hintern wackelnden (doch im Grunde überflüssigen) Cheerleaderinnen nicht abschrecken (bzw. ablenken) lässt, der wird eine faszinierende Sportart kennenlernen.

Ich hätte es selbst nicht gedacht, aber dieses Experiment ist geglückt. Ich bin dem Football-Sport verfallen und werde die kommende Saison sicherlich noch intensiver betrachten als die vergangene. Und ich hoffe, dass sich der Trend in Deutschland fortsetzt und noch mehr Menschen dieses Experiment wagen, ihre gelernten Muster und Vorstellungen vom Fußball abzulegen, über ihren Schatten springen und dieser Sportart eine Chance geben.

Die Viertelfinal –und Halbfinalspiele finden zur besten deutschen Sendezeit statt und wer sich um 9 Uhr morgens mit ´nem Kasten Bier vom Bahnhof aus auf den Weg zum Auswärtsspiel um 15.30 Uhr macht, kann auch mal beim Superbowl bis 5 Uhr morgens durchhalten. Und wer sich bei all dem immer noch nicht wohl fühlt, darf statt Nachos, Chicken Wings und amerikanischen Softdrinks das Ganze auch gerne bei Eisbein, Sauerkraut und Hefeweizen verbringen. Der liebgewonnenen Tradition wegen.

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Online-Umfrage

Hallo Sportsfreund/in!

im Rahmen meiner Masterarbeit im Studiengang Sportmanagement am Institut für Sportwissenschaften der Friedrich-Schiller Universität Jena führe ich eine Online-Umfrage durch. Ich würde mich freuen, wenn Ihr teilnimmt. Länger als 7 Minuten dauert es nicht.

Thematisch geht es um die Schwerpunkte „Stadion“ und „Fußball“.
Aus taktischen Gründen verrate ich das konkrete Thema erst am Ende der Umfrage.

Und hier der Link:
https://docs.google.com/forms/d/1IOTi3o9Tp8N7LTD6FtN7M8Xi_hVz2USNaSlH6BX0esA/viewform

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Kommerzialisierung rettet die Tradition

Sind die Kommerzialisierung (und damit anzunehmender sportlicher Erfolg) und Tradition zwangsläufig Gegenpole? Zerstört Geld die Tradition? Funktioniert Tradition nur ohne Geld? Ist Geld nicht sogar notwendig, um Tradition zu erhalten?

Ist Borussia Dortmund – mit 300 Millionen Umsatz – weniger anziehend, traditionsreich und populär als sie es zuvor waren? Nein. Und warum sind sie das nicht? Weil sie trotz des Geldes ihre ideellen Werte beibehalten haben. Ein Spagat, den viele ausländische Vereine – PSG, AS Monaco, ManCity – gar nicht bis wenig geschafft haben, sofern man aufgrund der Gegebenheiten überhaupt von ideellen Werten sprechen kann.

Geld schadet der Tradition und den ideellen Werten nicht zwangsläufig. Die Kommerzialisierung zerstört den Ursprung des Fußballs nur, wenn ein Verein alles auf die Karte Kommerzialisierung setzt.

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Bale-Transfer: Moralisch und ökonomisch vertretbar!

Zu dem Bale-Transfer ist schon alles gesagt worden. Leider jedoch viel zu eindimensional. Ich halte den 100 Millionen Transfer weder für unmoralisch,  noch für unökonomisch.

Real Madrid ist sicher nicht die Mutter Theresa des Fußballs, doch ist die Strategie, mit der sie immer wieder für globale Aufmerksamkeit sorgen ziemlich effektiv.

Die Big-Bang Strategie

Real Madrid verfolgt seit Jahren eine Strategie des großen Aufschlags. Den teuersten Spieler der Welt in ihren Reihen zu halten ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie: Luis Figo, Zinedine Zidane, Christiano Ronaldo und nun Gareth Bale. Immer mit dem Ziel: weltweite Aufmerksamkeit, weltweite Präsenz – die Marke Real Madrid in den globalen Fokus zu rücken, was folgende Konsequenzen mit sich bringt:

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Der perfekte Trainer

Ist es nicht erstaunlich, dass in einem fußballbegeisterten Land mit 80 Millionen Einwohnern immer dieselben 30-40 Trainer hin- und hergereicht werden? Noch eben bei dem einen Verein aufgrund von Erfolgslosigkeit rausgeschmissen – wenige Tage später beim Konkurrenten als Heilsbringer vorgestellt. Dieser Vorgang ist ebenso verrückt wie gewöhnlich. Und dabei sucht doch jeder nach dem perfekten Trainer.

Aber wo ist er? Was braucht er? Was bringt er mit?
Welche Zutaten braucht ein Verein, um sich den perfekten Trainer zu backen?

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Das Bild in den Köpfen: Eine Außenbetrachtung des 1. FC Kaiserslautern

Kampagnen Collage 1

Das Bild in den Köpfen? Hört sich viel besser als Marketing an – aber genau darum geht’s. Marketing: Eine Disziplin, die kaum jemand für notwendig hält.

Die Vorurteile:  Klatschpappen? Will kein Mensch haben. Werbung? Ich bin doch eh schon Fan. Dauerkartenaktion? Haut lieber das Runde ins Eckige.

Marketing ist das Ungeliebte Kind eines Fußballvereins. Doch es ist mehr als Klatschpappen und Werbung – und deshalb so notwendig. Und das gilt besonders für den FCK. Weiterlesen

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Kreativität: Einfach & systematisch mit dem EDISON-Prinzip

Kreativität ist ein großes Wort. In unserer Gesellschaft wird diese schöpferische Fähigkeit oft als eine übersinnliche Begabung dargestellt. Etwas, das man in den Genen haben muss. Etwas, das einem einfach mitgegeben wird. Vielleicht ist es das zu einem Bruchteil auch – doch es gibt Hoffnung: Kreativität lässt sich auch systematisch erzeugen: Mit der Anwendung von definierten Mustern. Eins dieser definierten Muster ist das EDISON-Prinzip. Eine von Jens-Uwe Meyer entwickelte Kreativitätstechnik aus dem gleichnamigen Buch. Basierend auf der Denk- und Handlungsweise einem der „kreativsten“ Köpfe der Menschheit: Thomas Edison – vor allem bekannt durch die Erfindung der Glühbirne.

Nun möchte ich hier keine Buchrezension verfassen, sondern das Kernwerkzeug dieses Prinzips in der konkreten Anwendung vorführen. Wie entstehen Ideen mit dem EDISON-Prinzip? Wie ist man systematisch kreativ?

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Erfolgsfaktor im Sponsoring: Empathie

herz

Der wahre Erfolgsfaktor im Sportsponsoring: EMPATHIE – und nicht nur da. Es gibt Vorbilder, von denen die Sportsponsoringbranche lernen darf: Ausgerechnet eine Kosmetikmarke macht vor, wie es geht. Mein Gastbeitrag auf Karriere-im-Sportmanagement.de: http://karriere-im-sportmanagement.de/erfolgsfaktor-im-sponsoring-empathie/

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Namingrightsponsoring – Zeit, NEUE Wege zu gehen

CSR-Namingrightsponsoring und ProdukteIdentifikation. Ein Wort, das sich mit viel Inhalt füllen lässt, doch ebenso schwer zu erfassen ist. Mit was identifiziert sich ein Fußballfan? Spieler, Erfolge, Gemeinschaft, aber auch nicht selten das Stadion. Das Stadion ist einer dieser Identitätsmerkmale eines Vereins, das unabhängig von Sieg und Niederlage Bestand hat. Das Zuhause eines Vereins, für viele oft sogar ein zweites zu ihrem eigentlichen. Ein Zuhause, dessen Name auch mal wechseln kann. Imtech-Arena, Signal-Iduna ParkGrundig Stadion und wie sie alle heißen. Doch nicht wenige Besucher gehen – zumindest gefühlt – noch ins Volksparkstadion (Hamburger SV), Westfalenstadion (Borussia Dortmund) oder Max-Morlock Stadion (1 FC Nürnberg), wenn auch nur aus fußballromantischer Wunschvorstellung.

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#fürimmerWeserstadion

Die gute alte Namingrightdiskussion. Warum dem ganzen nicht mal eine neue Denkrichtung geben? Namingrightsponsoring und Erhalt des Namens – und das gleichzeitig. Geht nicht? Geht doch. Vor wenigen Wochen habe ich genau diesen Lösungsansatz für das Fritz-Walter Stadion in Kaiserslautern untersucht. Lässt sich das auf Werder Bremen und ihr Weserstadion übertragen? Ich glaube ja. Wie und warum das so ist? Das ist das Thema dieses Artikels.

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